Eine Ataxiekatze auf dem Bauernhof
Fröhlich maunzend torkelt die kleine, magere Katze auf mich zu. Plumps, nun ist sie umgefallen. Aber macht nichts, die kleine Katze rappelt sich auf, kräht mich begeistert an, rammt mir ihr schiefes, einäugiges Köpfchen gegen das Knie, weil sie meine ausgestreckte Hand verfehlt hat. Und nun beginnt ein erbarmungsloses Kampfkuscheln.
Eindeutig besoffen, die Kleine, sage ich mir, und nehme ihre Einladung an. „Ach, die ist unter den Trekker gekommen,“ klärt mich der Bauer beiläufig auf. Wie man sieht, hat die kleine Katze überlebt. Die Wunden sind verheilt, die zahlreichen Knochenbrüche ebenfalls, das abgewetzte Fell beginnt langsam wieder nachzuwachsen und ihre Lebensfreude ist ungetrübt.
Aber es sind bleibende Schäden geblieben. Das schiefe Gesichtchen und das fehlende Auge lassen auch auf eine Schädigung des Gehirns schließen und zweifellos ist das Rückenmark durch den Unfall ebenfalls beeinträchtigt. Schäden am zentralen Nervensystem, also am Gehirn oder dem Rückenmark können zu Koordinationsstörungen, zu Störungen der Bewegungsabläufe führen. Diese Bewegungsstörungen ganz unterschiedlicher Ausprägung werden unter dem Sammelbegriff Ataxie zusammengefasst. Ataxie ist also keine Krankheit, sondern die Bezeichnung von Symptomen mit recht unterschiedlichen Ursachen. Also ist die Kleine Katze nicht besoffen, sondern leidet an . . . nein, sie leidet ganz offensichtlich nicht, sie hat Ataxie.
Ein Erlebnis von Wolfgang Schwerdt (Journalist)